Warum echte, gelebte Wertschätzung in Unternehmen so wichtig ist
Die positive Bewertung eines Menschen unabhängig von Taten und Leistungen
Autorin: Ruth Masser
Wie wird echte Wertschätzung wahrgenommen?
Der Begriff Wertschätzung wird in Unternehmenskulturen allzu häufig verwendet und zumeist mit Lob und Anerkennung hinsichtlich erbrachter Leistungen gleichgestellt. Jedoch bezieht sich Wertschätzung auf eine positive Bewertung eines anderen Menschen, unabhängig von Taten und Leistungen. Sie umfasst den Menschen als gesamtes Wesen, beruht auf einer inneren allgemeinen Haltung anderen gegenüber und steht in engem Zusammenhang mit Respekt und Wohlwollen. Wahrnehmbar wird sie durch Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Interesse und Freundlichkeit.
Wertschätzung als Grundbedürfnis
Wertschätzung zählt wie Anerkennung und soziale Zugehörigkeit zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Erfährt ein Mensch Wertschätzung werden im Gehirn die Botenstoffe Dopamin („Glückshormone“), körpereigene Opioide („Wohlfühlbotenstoffe“) und Oxytozin („Treuehormon“, „Vertrauens- und Kooperationsbotenstoffe“) ausgeschüttet und in weiterer Folge das Motivationssystem (Belohnungssystem) aktiviert. Ist Motivation im neuronalen System gegeben, besteht die Bereitschaft zum Engagement.
Wertschätzung als Teil der Unternehmenskultur
Die Arbeitswelt unterliegt einem kontinuierlichen Wandel von Strukturen und Werten mit gleichzeitiger Änderung der Ansprüche hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit von Mitarbeiter*innen in Bezug auf Selbstbestimmung und Sinnbezug, die berufliche Tätigkeit hat eine identitätsstiftende Bedeutung.
Ein großer Teil des Lebens wird am Arbeitsplatz verbracht, die Ausübung eines Berufes dient nicht mehr ausschließlich der Existenzsicherung, sondern definiert die soziale Lebenssituation und bewirkt gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung. Jedoch auch die Wertschätzung des beruflichen Umfelds nimmt immer mehr an Wichtigkeit zu.
Unternehmen müssen sich heute damit messen lassen, wie ernsthaft sie sich mit dieser Thematik auseinandersetzen und diese zu einem gelebten Teil der Unternehmenskultur machen. Der richtige Umgang mit Wertschätzung bedarf der Schaffung einer, diesbezüglich orientierten, ebensolchen Managementkultur und eines positiven Unternehmensumfelds.
Dahingehend befinden sich Führungspersonen oftmals in einem Spannungsfeld hinsichtlich Durchsetzungsvermögens und Autorität auf der einen Seite und Einfühlungsvermögens, kooperativen Führungsstils und Kommunikationsbereitschaft auf der anderen Seite.
Die Wichtigkeit Prozesse mitgestalten zu können
Der Leistungserstellungsprozess erfolgt überwiegend durch Mitarbeiter*innen. Aufgabe der Führungspersonen ist es Voraussetzungen zu schaffen, damit Mitarbeiter*innen ihre Potentiale möglichst optimal einbringen können. Zeigen diese jedoch ein eingeschränktes Leistungsverhalten bzw. sind diese nicht dazu bereit, aktiv den Leistungserstellungsprozess mitzugestalten, ist zumeist die gelebte Führungskultur nicht wertschätzend oder als solches nicht wahrgenommen, obwohl von der Führung gewollt.
Gründe hierfür sind mangelnde Übertragung von Verantwortung, fehlende Toleranz, fehlendes Vertrauen, vorenthaltene Anerkennung bei erbrachter Leistung, fehlender Respekt, Abwertung der Person und ihrer Fähigkeiten, fehlende Freundlichkeit – fehlende gelebte und erlebte Wertschätzung.
Selbstverteidigungsstrategien
Ist fehlende Wertschätzung vorherrschend, wenden Menschen Selbstverteidigungsstrategien an, um ihren Selbstwert zu schützen (Abwerten des Gegenübers), es kommt zur Demotivation im Arbeitsbereich.
Physische wie psychische Auswirkungen wie Wut, Ärger, Hilflosigkeit, Angst, Lustlosigkeit, Erschöpfung, Schlafprobleme, Rücken- und Gelenksprobleme, Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, Depressionen bis hin zum Burn-Out können auftreten.
Auslöser
Sich ignoriert fühlen
Emotionale Reaktion
Hilflosigkeit
Ärger
Körperliche Kurzzeitreaktion
Cortisol- und Adrenalinausschüttung
Langzeit Reaktion
Immunsystemschwächung
Erkältungsanfälligkeit
Depressionsrisiko
Schäden des Herz- Kreislaufsystems
Wertschätzung als Gesundheitsfaktor
Aus ökonomischer Sicht verursacht fehlende Wertschätzung eine erhöhte Mitarbeiter*innenfluktuation, höhere Anzahl an Krankenständen und dementsprechend steigende Kosten, mangelnde Kreativität und Innovation im Unternehmen, schlechtes Betriebsklima mit unzufriedenen Fach- und Führungskräften, verringerte Qualität, Probleme beim Recruiting, schlechtes Image.
Wertschätzung ist ein Gesundheitsfaktor. Sie erzeugt ein Gefühl von Bestätigung und Sicherheit, reduziert Ängste und Stress, stärkt das Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten, steigert das Wohlbefinden, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit werden verbessert und somit die Arbeitsfähigkeit gefördert.
(Quelle: A. K. Matyssek)
Einflusswege von Wertschätzung auf die Gesundheit
Echte Wertschätzung, welche vermittelt und praktiziert wird, lohnt sich für ein Unternehmen. Das Resultat ist eine Verbesserung des Arbeitsklimas, Stärkung der Loyalität gegenüber dem Unternehmen, Reduktion physischer und psychischer Belastungen seitens der Mitarbeiter*innen, Steigerung der Motivation und Produktivität, Verbesserung des Images.
- Förderung der Arbeitsfähigkeit (Ilmarinen, 2003)
- Freisetzung von Endorphine, dadurch ein gesteigertes Wohlbefinden
- Ent-stressung (als Form einer sozialen Unterstützung: Belastungspuffer)
- Vermeidung von Gratifikationskrisen, damit auch Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Siegrist, 2002)
- Freisetzung von Oxytocin (Vertrauenshormon)
- Reduktion des Depressionsrisikos (Hawkins et al., 1999)
- Reduktion von Ängsten
- Freisetzung von Dopamin, dadurch verbesserte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit
Schulungen und Trainings für Führungskräfte
Um wertschätzende Führung verstehen und leben zu können, bedarf es eines Umdenkens hinsichtlich des bisherigen traditionellen Führungsverhaltens (rein autoritär, patriarchalisch, aufgabenorientiert), eine Lern- und Veränderungsbereitschaft sowie Zeit.
Schulungen oder Trainings stellen hierfür eine sehr gute Möglichkeit dar, Führungskräfte dabei zu unterstützen mit den an sie gestellten Anforderungen gut umgehen zu können und Mitarbeiter*innen professioneller, individueller und stärkenorientiert zu begegnen und zu führen. Neues Wissen wird vermittelt, neue Kompetenzen werden erworben bzw. bestehende gestärkt, kommunikativen und empathischen Fähigkeiten gefördert.
Die Wirksamkeit solcher Schulungen / Trainings werden in der Erweiterung eines reflektierten Selbstmanagements und Priorisierens und Erlangung eines professionelleren Umgangs hinsichtlich Veränderungen, Stress und Konflikten sichtbar. Auch werden Fähigkeiten, die benötigt werden, um individuelle Potentiale von Mitarbeiter*innen zu erkennen und gezielt zu fördern, erweitert.
Wertschätzung als Voraussetzung für eine Vertrauensbasis
Um Wertschätzung zu leben, braucht es keinen großen Aufwand, jedoch wesentliche Voraussetzungen. Wertschätzung ist immer individuell, präzise und emotional und muss vermittelt, gezeigt, ausgesprochen werden. Anerkennende Worte finden, respektvoll kommunizieren, Bedürfnisse erkennen, Verantwortung übertragen, Fairness und Interesse zeigen, Dankbarkeit ausdrücken und eine offene Fehlerkultur sind Möglichkeiten sein Gegenüber anzuerkennen.
Gelebte Wertschätzung ist die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung einer Vertrauensbasis. Um eine diesbezüglich gut funktionierende Unternehmenskultur aufzubauen, bedarf es der Einigkeit aller Führungskräfte aller Hierarchiestufen. Nur so kann Wertschätzung auf allen Ebenen des Unternehmens erfolgen.
„Zufrieden jauchzet groß und klein, hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“
(Johann Wolfgang von Goethe)
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