Streitkultur
…ein Reflexionsversuch
Autor: Richard Metz
Streitkultur – wozu das denn?
Jetzt ist es schon wieder passiert: Nach einer Auseinandersetzung zwischen zwei Mitarbeiter*innen ist die eine emotional verletzt und die andere weiß nicht warum. Ein Erklärungsversuch…
Konstruktive Konfliktbewältigung
Dr. Glasl sieht in einer Streitkultur einen wichtigen Faktor, um die konstruktive Bewältigung von Konflikten möglich zu machen oder mit Differenzen so umzugehen, dass es nicht störend oder belastend ist. Unterschiede in den Sicht- und Arbeitsweisen können dann sichtbar gemacht werden und konstruktiv bewältigt werden. Obendrein ist die Konfliktlösungskompetenz eine Basiskompetenz für Menschen in Führungspositionen und daher von höchster Bedeutung.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 wird unter anderem in der „Perfektionierung der Unternehmenskultur“ und im Speziellen unter anderem in der Implementierung einer „gepflegten Streitkultur“ ein nachhaltiger Motivationsfaktor für Mitarbeiter*innen gesehen.
Eine Grundvoraussetzung für konstruktives Streiten scheint neben der Neugier wie haltbar die eigenen Argumente eigentlich sind, die Fähigkeit den eigenen Standpunkt von der Gegenseite hinterfragen oder in Zweifel ziehen zu lassen. Dies gilt es aus-zu-halten, ohne gleich in einen „Verteidigungsmodus“ zu gehen, was auch eine Frage der Resilienz zu sein scheint. Beim konstruktiven Streiten ist das empathische Zuhören wichtiger als das Sprechen. Das Gegenüber wird als gleichwertig angesehen. Empathie ist eine hochzivilisierte Leistung.
Konstruktives Streiten ist das Werben für den eigenen Standpunkt, das Überzeugen anderer ohne Druck auszuüben, wobei die Wertschätzung und die Umsicht beim Streiten stets erhalten geblieben ist.
Destruktiv zum Misserfolg…
Beim destruktiven Streiten kann es nur mehr von Bedeutung sein die eigene Meinung, den eigenen Willen durch-zu-setzten, aus „organisatorischen Gründen“, wegen eigener Befindlichkeiten oder warum auch immer. Dabei werden die Bedürfnisse und Sichtweisen der anderen ausgeblendet. Für die eigene Meinung werden nur mehr Bestätigung oder Gleichgesinnte gesucht.
Sobald das „Recht haben“, „die Schuldfrage“ oder „die eigene Persönlichkeit“ im Mittelpunkt stehen, kann man von einem „Toxischen-Streiten“ sprechen, wobei die vermeintlichen Gewinner*innen auch Verlierer*innen zu sein scheinen.
Wie Feindschaft entsteht…
Ist das destruktive Streiten besonders ausgeprägt, kann Feindschaft entstehen. Diese beginnt in den Köpfen, den Gedanken und der Sprache.
Emotionen und Haltung
Ob es sich um ein konstruktives oder destruktives Streiten gehandelt hat, so wird angenommen, kann auch an der emotionalen Befindlichkeit nach dem Streiten abgelesen werden. Wie fühlt es sich nach einem konstruktiven oder destruktiven Streiten an? Fühlt man sich gereinigt, wahrgenommen oder im Unklaren gelassen? Beim destruktiven Streiten kann auch zu viel Nähe entstanden sein, da persönliche Grenzen überschritten wurden oder es zu Beleidigungen gekommen ist.
Eine andere Meinung als Ergänzung, Vervollständigung oder Bereicherung der eigenen Meinung sehen zu können scheint von hoher Bedeutung, ein Anzeichen einer reflektierten Geisteshaltung, aber auch ein Ausdruck des eigenen empathischen Potentials.
Streitkultur entwickeln…
Eine positive Streitkultur kennt keine Gewinner*innen oder Verlierer*innen. Demnach ist es ein Leichtes festzustellen, wie ausgeprägt oder verteilt die Streitkultur im eigenen Unternehmen ist.
Das Bilden einer Streitkultur ist ein Zeichen, ein Baustein einer sicheren, lernbereiten Organisation und ein Meilenstein auf dem Weg dorthin.
Das „Sich-Gegenseitig-Austauschen“ über die Sichtweisen und Bedürfnisse, der Versuch gemeinsame Lösungen zu finden immer mit einer respektvollen Grundhaltung mit denen beide Seiten gut leben können, steht für konstruktives Streiten. Wohingegen durch destruktives Streiten Ressourcen vergeudet und die Mitarbeiter*innenzufriedenheit gefährdet wird.
Empathie als Lösung
Wer Konflikte in der Regel unter den Teppich kehrt, darf sich nicht wundern, wenn es ab und an zu einer mehr oder weniger unkontrollierten emotionalen Eruption kommt. So ein Verhalten weist auf einen Mangel an Empathie sich selbst, aber auch dem anderen gegenüber hin.
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