Schichtarbeit – eine tägliche Herausforderung
Autorin: Veronika Almer
Wie wirkt sich Schichtarbeit auf die psychische Gesundheit von Pflegepersonen im stationären psychiatrischen Setting aus?
In der stationären 24-Stunden-Versorgung ist Schichtarbeit für Pflegepersonen unumgänglich. Durch das Arbeiten gegen die innere Uhr des menschlichen Organismus, kann es zu negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Pflegenden kommen. Das wiederum wirkt sich auf die eigene Leistungsfähigkeit sowie auf den Umgang mit den Patient*innen aus. Besonders im psychiatrischen Setting sind die Pflegekräfte aufgrund der verschiedenen Herausforderungen und Gewalterfahrungen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt.
Problematik des Schichtdienstes
Aus der Schichtarbeit ergeben sich Vor- und Nachteile, die abzuwägen sind. Der Tagesrhythmus und die Work-Life-Balance einer Schichtarbeiterin bzw. eines Schichtarbeiters unterscheiden sich wesentlich von denen eines im normalen Tagesrhythmus Arbeitenden.
Inwiefern wir den Schichtdienst tolerieren, hängt auch von der persönlichen Einstellung jeder einzelnen Arbeitnehmerin bzw. jedes einzelnen Arbeitnehmers diesem Zeitmodell gegenüber ab. Für Personen, die der Schichtarbeit nichts Positives abgewinnen können, ist es sinnvoller sich nach einem Arbeitsplatz mit geregelter Arbeitszeit umzusehen. Gleichzeitig sollte jedoch darüber reflektiert werden, ob es wirklich der Schichtdienst ist, der uns zu schaffen macht oder evtl. doch das Patient*innenklientel, das Team, die Überforderung in einem anspruchsvollen Fachbereich oder die mangelnde Freizeit.
Der Anteil an Bedürftigen für professionelle Pflege und gleichzeitig damit auch der Bedarf an Pflegekräften nehmen stetig zu. Im Oktober 2019 waren in Österreich 457.895 Personen Bezieher*innen von Pflegegeld. Insgesamt arbeiten 127.000 Personen im akut-stationären Bereich und in der Langzeitpflege- und betreuung, davon sind 67.000 Pflegende in Krankenhäusern beschäftigt. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist mit einer Zunahme der pflegebedürftigen Personen zu rechnen (BMSGPK, 2019).
Es ist ein Faktum, dass Pflege nach wie vor weiblich konnotiert ist. 85% der Angestellten in der Pflegebranche sind Frauen. In einer Studie des GÖG (2011) geht hervor, dass rund ein Drittel dieser Pflegenden über 50 Jahre alt sind und wahrscheinlich in zehn Jahren in Pension gehen werden (BMSGPK, 2019).
Schichtdienst – notwendig, aber auf Kosten der eigenen Gesundheit
Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Pflege im psychiatrischen Bereich dar: Die Schwierigkeit in der Psychiatrie liegt im Doppelauftrag der Mitarbeiter*innen: Einerseits als Ordnungshüter den Schutz der Betroffenen und der Mitmenschen zu gewähren und andererseits eine empathische Beziehung mit den Patient*innen, zur Förderung der Therapieziele, aufzubauen (Steinert, 2019). Von allen Erwerbstätigen waren laut Statistik Austria im Jahr 2020 mit 79% die Berufsgruppe der Fachkräfte in der Krankenpflege die am häufigsten mit dem Umgang mit schwierigen Personen konfrontierte Gruppe (STATISTIK AUSTRIA, 2020).
Schichtdienst ist notwendig, aber definitiv mit gesundheitlichen Einbußen verbunden. Das Risiko für Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Beschwerden ist erhöht.
Ebenso ist die Teilnahme am familiären und sozialen Leben durch die unterschiedlichen Arbeits- und Freizeiten erschwert (Lange & Mayerhofer, 2015).
Eigene Belastung auf Kosten der Empathie
Nach den Aussagen eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sollte aufgrund der immensen Belastung auf einer psychiatrischen Akutstation auch dem Personal, um eine Überforderung zu verhindern, ebenso wie den Patient*innen eine Rückzugsmöglichkeit geboten werden. Es ist äußerst herausfordernd, täglich verbalen Aggressionen ausgesetzt zu sein, über die gesamte Dienstzeit auf fordernde Nachfragen zu reagieren oder im Nachtdienst mit wenig Personal angespannte Situationen und drohende Gewalt zu beherrschen. Unweigerlich ruft dies das Gefühl von Angst, Überforderung und Ohnmacht hervor. Dies ist jedoch weder für die Genesung der Patient*innen noch für die Aufrechterhaltung der Gesundheit des Personals förderlich.
Nachweislich ist im psychiatrischen Bereich die Belastung noch höher und es ist zu beobachten, dass die Empathie für die Patient*innen schwindet.
Übrig bleibt lediglich die grundlegende Versorgung,
- Abgestumpftheit macht sich breit,
- die Arbeitszufriedenheit sinkt,
- die Anzahl der Krankheitstage steigt oder
- Pflegekräfte steigen aus dem Beruf der Krankenpflege aus
Durch häufiges „Einspringen“ wirkt sich dies wiederum negativ auf die Ruhezeiten auf die verbleibenden Mitarbeiter*innen aus. Der ohnehin bestehende Pflegenotstand verschärft sich, das Gesundheitssystem, insbesondere in der Alterspsychiatrie steuert auf einen Kollaps zu – daher sind die Verantwortlichen und die Politik gefordert, diese Negativspirale aufzuhalten.
Welche Möglichkeiten haben Pflegepersonen diesen psychischen Belastungen entgegenzuwirken?
Diese Möglichkeiten können leider nicht im erwünschten positiven Ausmaß beantwortet werden. Es gibt natürlich ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um die zahlreichen psychischen Belastungen der Schichtarbeit und vor allem den speziellen Anforderungen im psychiatrischen Setting präventiv zu begegnen. Dies alles setzt eine gewisse Sensibilisierung für die möglichen verschiedenen Auswirkungen voraus. Dazu müsste wohl erst ein Bewusstsein für die Folgen von Schichtdienst bei Pflegekräften geschaffen und gestärkt werden. Da diese Maßnahmen wie Entspannungsverfahren, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung, um z.B. die Schlafhygiene zu verbessern, eine gewisse Regelmäßigkeit und Motivation voraussetzen, ist es nahezu unmöglich einen Großteil des Pflegeteams dafür zu begeistern.
Eine Möglichkeit den speziellen Belastungen entgegenzuwirken, wäre die Installierung eines Rotationssystems, wobei die Mitarbeiter*innen für eine gewisse Zeit auf weniger belastenden Stationen eingesetzt werden sollen. Damit wird eine vorübergehende Arbeitserleichterung geschaffen und als zusätzlich positiver Effekt wird das psychiatrische Spektrum erweitert und damit die Motivation der einzelnen Mitarbeiter*innen gefördert.
Die eigene Gesundheit sollte für jeden Pflegenden so bedeutsam sein,
dass Beschwerden, welche aus der Arbeit im Schichtdienst resultieren,
nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Fazit
Die Auswirkungen von Schichtarbeit auf Aggression und Gewalt seitens des Personals in psychiatrischen Einrichtungen sind nicht zu unterschätzen. Die Kombination aus Müdigkeit, emotionaler und psychischer Belastung, sozialer Isolation und der schwierigen Arbeitsatmosphäre während der Nachtstunden schafft ein Umfeld, in dem aggressives Verhalten des Personals wahrscheinlicher wird. Um diese Risiken zu minimieren, ist es entscheidend, dass psychiatrische Einrichtungen präventive Maßnahmen ergreifen, wie etwa regelmäßige Schulungen, ausreichende Personalbesetzung und ein starkes Unterstützungssystem für alle Mitarbeitenden. Dies hilft nicht nur, das Wohlbefinden des Personals zu schützen, sondern auch die Qualität der Patient*innenversorgung zu gewährleisten.
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