Jeder Mensch kann mithelfen, Gewalt zu unterbinden…
Ein aktueller Gastbeitrag, weil Gewalt uns alle angeht.
Autorin: Laura Miksch
StoP
Täglich nehmen wir Situationen wahr, die wir als Gewalt erleben. Dabei würden wir uns doch alle wünschen, in einer Umgebung zu leben, die von Wertschätzung, Liebe und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Genau hier setzt StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt an.
Alltägliche Gewalt – was tun?
In der Nachbarwohnung sind laute Schreie und bedenkliche Geräusche zu hören. Ein Kind wird öffentlich von einem Erwachsenen nieder gemacht oder geschlagen. Ein Freund kontrolliert in Abwesenheit seiner Partnerin ihr Handy. Eine Kollegin wird offensichtlich auf unangenehme Weise von ihrem Vorgesetzten berührt und traut sich nicht, dagegen vorzugehen.
Das Projekt StoP möchte dafür sensibilisieren, dass es neben der heftigen körperlichen Gewalt in Beziehungen auch alltägliche Gewalt gibt, die wir immer wieder wahrnehmen und uns ohnmächtig fühlen . Und genau diese „subtilen“ Formen der Gewalt sind die Basis von Gewaltspiralen, die zu immer stärkerer Gewalt führen können und gerade in Österreich in bedenklich hohem Ausmaß in Femiziden enden.
Obwohl wir uns häufig mit Situationen konfrontiert sehen, die wir als bedrohlich und bedenklich einschätzen, lassen wir sie meist kommentarlos vorüberziehen.
Aber warum? Weil uns schlichtweg die Idee fehlt, wie wir sinnvoll einschreiten könnten, wie Zivilcourage gelingen kann, ohne uns selbst in unangenehme oder bedrohliche Situationen zu bringen. Ein schlechter, abwertender Scherz über die Partnerin, ein sexuell anzüglicher Witz eines Kollegen über die abwesende Kollegin. Klingt erst mal nicht so schlimm, aber die Auswirkungen solchen Verhaltens und das Nichthandeln der anderen, können zu einer echten und realen Tortour für Betroffene werden. Werden solche subtilen Gewaltformen, an die wir uns schon zu sehr gewöhnt haben, aber nicht unterbunden, folgen oft schwerwiegendere Gewalt fängt im Kleinen an, in Randbemerkungen, in Abfälligkeiten, in Kontrolle und Abwertungen.
Hier einzugreifen, ein klares Statement dagegen abzugeben, kann eine beginnende Gewaltspirale eindämmen oder unterbinden. Und jede*r Einzelne kann dazu etwas beitragen.
Gewaltfreie Nachbarschaft –
dies möchte StoP mitermöglichen
In den Treffen von StoP wird Raum geboten, um über eigene Gewalterfahrungen zu sprechen und Stellen kennenzulernen, an die man sich wenden kann. Es wird darüber geredet, wie Beziehungen gewaltfrei gelingen können und dass jede Person eine gewisse Bereitschaft zur Gewalt in sich trägt, und welche Tools und Skills helfen, um diese Bereitschaft nicht auszuagieren und konstruktiv mit Wut und Frustration umzugehen. Daneben gibt es die Möglichkeit sich kreativ auszudrücken, wo Wörter vielleicht fehlen. Der schönen Vorstellung einer gewaltfreien Nachbarschaft Raum zu geben und diese miteinander zu denken, fördert die Nachbarschaftsbeziehungen und das Gefühl, im Zweifelsfall nicht allein zu sein. Es geht um eine Stärkung des Miteinanders und der gegenseitigen Unterstützung – und das genau dort, wo häusliche Gewalt passiert – am Wohnort, in der Nachbarschaft.

Erschreckende Zahlen

Zusätzlich bietet das Projekt einen regelmäßigen Raum für Treffen unter Frauen*. Ein Platz, um in geschützter Atmosphäre das gegenseitige Unterstützungsnetzwerk auszubauen, Frauen*solidarität zu fördern und gemeinsame Ideen zu verwirklichen. Und das klare Gefühl: Jede*r kann was sagen – was tun!
Warum braucht es explizit Räume nur für Frauen*? Warum werden Gewaltsituationen meist mit einem Mann als „Täter“ und einer Frau als „Opfer“ beschrieben? Tatsache ist, dass jede 5. Frau, die sich in einer Beziehung befindet oder sich in einer solchen befunden hat, angibt, körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. 80% der Anrufe bei der Frauenhelpline 2023 behandelten häusliche Gewalt. In Österreich wurden 2024 27 Femizide begangen – also Morde, die an Frauen verübt wurden, die meist im Kontext einer Beziehung oder deren Ende verübt wurden und weitere 39 Mordversuche passierten an Frauen.
Die Angebote von StoP
Neben der Aufklärung über diese bedenklichen Entwicklungen, haben es sich die Mitarbeiter*innen von StoP zu ihrer Aufgabe gemacht, interessierten Menschen zu ermöglichen, Strategien zu entwickeln, wie sie auf wahrgenommene Gewalt und Warnsignale reagieren können. Betroffene werden auch darüber informiert, welche Stellen für welche Thematiken zuständig sind.
Zusätzlich wird die Möglichkeit geboten, wertfrei über mögliche eigene bedenkliche Verhaltensweisen zu reden und die eigene Gewaltbereitschaft zu reflektieren. Jede*r kann mithelfen, eine gewaltfreiere Gesellschaft zu schaffen. Jede*r einzelne kann mitgestalten. Jede*r einzelne ist wertvoll. Jede*r kann sich für mehr Gewaltfreiheit einsetzen. Und jede*r ist herzlich willkommen.
Frauenhelpline: 0800 222 555
(österreichweit, kostenlos, rund um die Uhr, anonym und in verschiedenen Sprachen)
Sollten Sie oder eine Frau in Ihrer Umgebung von Gewalt betroffen sein, ist ein erster möglicher Schritt, sich an die Frauenhelpline zu wenden. Laden Sie die Freundin ein, es gemeinsam zu tun, wenn ihr der Schritt dadurch erleichtert wird. Gesehen zu werden, ernst genommen zu werden und sich ausdrücken dürfen, das sind wichtige erste Schritte.
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