Female Genitale Mutilation –

das Leid der Frauen

Alle 11 Sekunden wird irgendwo auf dieser Welt ein Mädchen genitalverstümmelt.

In über 30 Staaten weltweit sind mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen von einer Beschneidung ihres Genitals betroffen. Dies verstößt gegen die Kinder- und Menschenrechte und stellt einen Akt von geschlechtsspezifischer Gewalt dar. Die betroffenen Mädchen und Frauen leiden unter physischen und psychischen Schmerzen, die ihre weitere Zukunft erheblich beeinträchtigen. Die Opfer sind meist Migrantinnen, deren Familien diese Praktik durch Einwanderung nach Europa gebracht haben. Oft kommen auch Mädchen nach einem Heimaturlaub beschnitten zurück. In Österreich sind ca. 6000 Mädchen und Frauen davon betroffen. Jede Form der Beschneidung der weiblichen Genitalien wird als schwere Körperverletzung verfolgt und bestraft.

Fragwürdige Tradition

Die weibliche Genitalbeschneidung (female genitale mutilation, FGM) ist eine Tradition in einigen Kulturen Afrikas, vor allem Nord- und Zentralafrika und Ausdruck einer tief verwurzelten Geschlechterungleichheit. Sie wird auch im Nahen Osten und in anderen Regionen praktiziert. Die Begründung für die Genitalverstümmelung ist vielschichtig. In praktizierenden Kulturen wird oft ein Nutzen für die weibliche Hygiene und Ästhetik, Fruchtbarkeit und Keuschheit sowie das sexuelle Vergnügen des Mannes zugeschrieben und ist Voraussetzung für eine Heiratsfähigkeit. Um diese altertümliche Verstümmelung der Frau endlich zu beenden, muss es gelingen, die Stammesführer aufzuklären. Die medizinische Versorgung umfasst einen kultursensiblen Ansatz und ein Deinfibulationsverfahren, vorzugsweise vor Aufnahme der sexuellen Aktivität oder Entbindung.

Frau schwarz-weiß

„Leider immer schon ist der Körper von Frauen ein Kampfplatz … Es geht um die Kontrolle von Männern über den Körper der Frau.“

(Maria Noichl, S&D Deutschland, Plenardebatte, 18. Dezember 2019)

Praxis mit gravierenden Komplikationen, aber keinerlei Nutzen

Das Durchschnittsalter bei der Genitalbeschneidung liegt bei ca. 7 Jahren und wird ohne Betäubung durchgeführt. Die weibliche Genitalbeschneidung umfasst alle Prozeduren, die die teilweise oder komplette Entfernung der externen Genitalorgane umschreibt. Die WHO hat folgende 4 Formen der weiblichen Genitalverstümmelung beschrieben:

  • Typ I Klitoridektomie: Teilweise bis vollständige Entfernung der Klitorisglans und/oder der Vorhaut, wofür unterschiedliche scharfe Gegenstände, wie Rasierklingen, Glasscherben und Scheren – häufig nicht desinfiziert – verwendet werden
  • Typ II Exzision: Teilweise bis vollständige Entfernung der klitoralen Eichel und der kleinen Schamlippen, mit oder ohne Entfernung der großen Schamlippen
  • Typ III Infibulation: Verengung der Vaginalöffnung durch Vernähen
  • Typ IV Andere: Alle anderen Eingriffe am weiblichen Genital, wie Einstechen, Durchbohren, Ritzen, Schaben oder Kauterisieren

Die Folgen sind nicht nur massive Traumatisierung, sondern auch intra- oder postoperative Blutungen, Zysten, Keloidbildung und Infektionen. Bei infibulierten Frauen sind rezidivierende Harnwegs- oder gynäkologische Infektionen, aber auch Inkontinenz möglich. Bei beschnittenen Frauen kann es unter der Geburt zu schweren Dammverletzungen oder Blutungen kommen. Bei vielen Fällen führt eine schwere Sepsis aufgrund der fehlenden Hygienemaßnahmen auch zum Tod. Auch ist eine Öffnung für vaginale Geburten und anschließende Wiedervernähung in diesen Kulturen gang und gäbe, wodurch sich plötzliche, aber auch langfristige Risiken ergeben.

In Kulturen, in denen die weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, ist der soziale Druck in der Gesellschaft sehr hoch und die Ächtung der Mädchen bei Missachtung des Rituals groß. Die Gefahr aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, ist eine starke Motivation, die Beschneidung doch durchführen zu lassen.

Ehre und sozialer Status der ganzen Familie hängen von der Beschneidung ab.

24 der 29 afrikanischen Staaten, in denen diese traditionelle Praxis gelebt wird, haben Gesetze, die weibliche Beschneidung verbietet. Trotzdem sind weiterhin fast 90% der dort lebenden Frauen von FGM betroffen.

Großer Bedarf an Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit

Viele dieser Frauen, die weibliche Beschneidung durchführen, sind selbst im Kindesalter beschnitten worden. Um diese generationenübergreifende Tortur beenden zu können, bedarf es Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit der angesehenen Medizinmänner und Stammesführer, die immer noch die wichtigsten Ansprechpartner für die Bevölkerung darstellen.

Die UNICEF ist seit 2008 mit ihrem Programm aktiv und hat erreicht, dass 13 Länder nationale Gesetze zum Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung verabschiedet haben. Dadurch haben 6 Millionen Frauen einen Zugang zu Präventions-, Schutz- und Behandlungsmaßnahmen erhalten.

Der Schritt zur Defibulation ist für die betroffene Frau nicht einfach und benötigt viel Unterstützungs- und Aufklärungsarbeit. In diesem langwierigem Entscheidungsfindungsprozess müssen die Frau, aber auch der Partner, individuell und behutsam begleitet werden. Bevor weiterführende Maßnahmen getroffen werden, sollte die eigene Einstellung und der Sprachgebrauch zu dem Thema überdacht werden. Betroffene Kinder und Frauen kennen nur die eigenen kulturellen Wertevorstellungen. Negative und abwertende Worte wie „Verstümmelung“ oder „Opfer“ sollten nach Möglichkeit vermieden und eher die Begrifflichkeiten der Familie übernommen werden. In jedem Fall sind solche Gespräche sensibel vorzubereiten, um den Betroffenen und der dazugehörigen Familie respektvoll begegnen zu können.

Österreichweite Anlaufstellen für von FGM betroffenen Personen:

https://femsued.at/fgm-anlaufstellen/alle-anzeigen/

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