Aggression und Gewalt
im Erstpraktikum in der Langzeitpflege
Autor: Gerhard Lindenhofer
Erfahrungen während des Erstpraktikums und Umgang damit
Im Erstpraktikum treffen die idealtypischen Vorstellungen vom Beruf auf die vorhandene Realität.
Hierbei sind jedoch viele verschiedene Faktoren von Bedeutung, wie dieses Aufeinandertreffen erlebt werden kann: die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die Teamstruktur, das Arbeitsklima auf der Station, eine eventuell vorhanden Vorerfahrung, etc. Das macht generelle Aussagen schwierig.
Emotionale Herausforderungen während der Ausbildung
Winter beschreibt in seiner Dissertation „Emotionale Herausforderungen Auszubildender während der Pflegeausbildung“ die Herausforderung, die bei Auszubildenen in der Pflegeausbildung auftreten können. Dabei wird Gewalt gegenüber den Auszubildenden und verbale Gewalt gegenüber den zu pflegende Menschen als Belastung beschrieben.
Ähnliche Ergebnisse liefert meine qualitative Erhebung im Rahmen einer Abschlussarbeit für die Trainer*innenausbildung für Deeskalations- und Sicherheitsmanagement aus dem Jahr 2021 bei Auszubildenden der Pflegeassistenz.
Erinnerungen an die Ausbildung
Hier werden drei Ebenen beschreiben, auf denen Aggressionserlebnisse aus dem Erstpraktikum erinnert werden:
1. Handlungen gegenüber den zu betreuenden Personen – Handlungen gegen den Willen der Person, Anschreien von zu Pflegenden, Handeln ohne Information und Verniedlichungen
2. Handlungen gegenüber dem Betreuungspersonal – das Angeschrien werden und das Festgehalten werden
3. Handlungen auf der Personalebene –Anweisungen gegen die eigenen Werte zu handeln
Aggressions- und Gewalthandlungen gegenüber betreuende Personen
Aggressions- und Gewalthandlungen gegenüber den zu betreuenden Personen wurden am intensivsten beschrieben und sehr genau erinnert.
Als Reaktion auf das Erlebte wurde Erstarren, Schock und Sprachlosigkeit beschrieben und das Unverständnis darüber, warum so etwas passieren kann.
Bewältigungsstrategien
Welche Bewältigungsstrategien werden von den Auszubildenden angewandt?
- Aktiv auf die Bewohner*innen zugehen
- Die Pflege zu übernehmen
- Die eigenen Werte vorzuleben
- Erklärungen zu finden für das, was erlebt wird
- Befreiungstechniken
- Austausch mit Kolleg*innen aus der Klasse
- Der Versuch, unvoreingenommen zu sein
- Das emotionale Rausgehen – „… und ich habe genau gewusst, nach 5 Wochen bin ich weg.“
Aufarbeitung als wichtiger Schritt
Laut einer Studie zum Pflegepersonalbedarf der Gesundheit Österreich GmbH benötigt Österreich in Summe 75.700 Pflege- und Betreuungskräfte mehr bis 2030 (GÖG 2019, S. 6).
Es wird viele Maßnahmen brauchen, um das Personalproblem in den Griff zu bekommen. Für das Halten der zukünftigen Kolleg*innen an den Stationen kann die bewusste Aufarbeitung von Aggressionserlebnissen mit Auszubildenden im jeweiligen Bereich ein erster wichtiger Schritt sein.
Zudem besteht mit außenstehenden Personen die Chance, eventuell in der hektischen Arbeitsroutine übersehene Aggressionshandlungen, aufzudecken und neue Strategien finden zu können.
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