Bedürfnisse und Sicherheitsmanagement

Individuell abgestimmte Unterstützung ist deeskalativ und fördert die Gesamtqualität

Unsere Bedürfnisse sind Antrieb für unser Verhalten

Unerfüllte Bedürfnisse können zu Rückzug, Abwehr und aggressivem Verhalten führen. Das ist der Grund, warum es für die Deeskalation und die Gewaltprävention so wichtig ist, Bedürfnisse zu erkennen und auf sie einzugehen – auch wenn man nicht immer eine unmittelbare Problemlösung anbieten kann. Das Schlagwort im Gesundheitswesen und im Sozialbereich dazu heißt „Personen-Orientierung“ und bezeichnet eine Herangehensweise, die nicht nur Aggression vorbeugt, sondern die gesamte Leistungsqualität verbessert und für mehr Zufriedenheit bei allen Beteiligten sorgt.

Was ist Ihnen wichtig?

„Was ist Ihnen wichtig?“ ist eine gute Einstiegsfrage in den Gesundheits- und Sozialdiensten. Der Blick auf das, was Menschen wichtig ist, schafft in vielen Fällen eine Verbindung zwischen den professionellen Leistungen und dem Leben der unterstützen Personen. Das Interesse am Anderen ist das Gegenmittel zur Bevormundung durch Fachleute und der Schlüssel zu sinnvollen Lösungen. Gleichzeitig reduziert sich die Anzahl von aggressionsfördernden Situationen, z.B. wenn Patientinnen/Patienten, Klientinnen/Klienten oder Bewohnerinnen/Bewohner das Gefühl haben, dass sie mit ihrem Anliegen nicht gehört werden und sich nachdrücklich Aufmerksamkeit verschaffen müssen. 

Menschen brauchen Orientierung

Damit Hilfe wirksam werden kann, brauchen die unterstützten Menschen Orientierung über die kommenden Abläufe und die Einhaltung von Zusagen über Berufs- und Teamgrenzen hinweg. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die Informationen, die sie am Beginn des Kontakts erhalten den weiteren Verlauf bestimmen. Ist das nicht der Fall, entsteht Verwirrung, Enttäuschung und Kommunikation voller Missverständnisse. Viele Menschen wünschen sich auch Unterstützung bei der Umsetzung von Therapien und Veränderungen, um ihren Alltag besser in den Griff zu bekommen.

Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken

Wie rückt man die Bedürfnisse mehr in den Mittelpunkt der professionellen Unterstützung? Eine bedeutsame Möglichkeit ist das laufende Anbieten von Wahlmöglichkeiten, etwa beim Essen, beim Zeitpunkt von Aktivitäten, bei der Umgebungsgestaltung oder bei der Art und Weise der Durchführung von Leistungen. Dazu gehört auch, dass die professionelle Hilfe nach Möglichkeit gemeinsam mit den unterstützen Menschen geplant wird. Das Fachwort dafür ist „shared decision-making“, also gemeinsame Entscheidungsfindung. Das ist wichtig, weil Profis meist fachliche Ziele verfolgen, die unterstützten Menschen Hilfe aber im Zusammenhang mit ihren Lebensumständen und persönlichen Zielen bewerten. Erst wenn beide Sichtweisen zusammengehen, wird die Unterstützung als hilfreich und sinnvoll erlebt.

Richtet man die Leistungen von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen an der Lebenssituation der Betroffenen aus, hilft das nicht nur den Patientinnen/Patienten, Klientinnen/Klienten oder Bewohnerinnen/Bewohnern, sondern hat auch für die Profis einen hohen Wert. Etwas Nützliches bewirken zu können, verschafft Erfolgserlebnisse und motiviert! Das ist wohl für die meisten Menschen in Gesundheits- und Sozialberufen der Grund für ihre Berufswahl.

Notwendige Rahmenbedingungen

Die Orientierung an den Bedürfnissen liegt aber nicht nur in der Verantwortung der einzelnen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern. Die persönliche Haltung und die individuellen Kompetenzen sind zwar wichtige Elemente. Wenn die Organisation aber nicht die Rahmenbedingungen für personen-orientiertes Arbeiten bietet, wird das Wirken der Einzelnen beschränkt. Organisationen stärken ihre Fähigkeit, mit den Bedürfnissen ihrer Nutzerinnen/Nutzern umgehen zu können durch klare Strategien, konstruktive Arbeitskultur, Lernbereitschaft, Flexibilität in Prozessen und Strukturen und nicht zuletzt durch ausreichende Personal- und Zeitressourcen. Deshalb braucht Personen-Orientierung als eine Strategie für wirksame Deeskalation und Gewaltprävention ein systematisches Sicherheitsmanagement (vgl. Beitrag Aggression und Gewalt in Gesundheitseinrichtungen).

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