Unterbringungsgesetz (UbG) Novelle

Welche Änderungen bringt das neue Gesetz

Der „Fall Brunnenmarkt“ und die Auswirkung auf das Unterbringungsgesetz

Im Mai 2016 hatte ein 21-jähriger geistig verwirrter Obdachloser in Wien-Ottakring am Brunnenmarkt ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisenstange erschlagen. Daraufhin wurde, damals unter Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eine Sonderkommission eingesetzt, welche Defizite in der Vernetzung und bei den Informationsflüssen zwischen den verschiedenen beteiligten Stellen festgestellt hat.

„Mit der Reform des Unterbringungsgesetzes stärken wir Patient*innenrechte bei Unterbringungen, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche“, betont die jetzige Justizministerin Alma Zadic (Grüne). In Zukunft gelte der Grundsatz: Mehr mit den Patient*innen sprechen und weniger über sie.

„Damit sollten die Menschenrechtsstandards in Österreich für eine Gruppe, die oft vergessen wird, erhöht werden. Denn Menschenrechte sind unteilbar und gelten für alle Menschen, die in Österreich leben. Gleichzeitig sollten die Sicherheitsstandards durch eine stärkere Vernetzung und Informationsaustausch zwischen den beteiligten Organisationen erhöht werden“, sagte die Ressortchefin.

Im Bundesgesetzblatt wurde nun das neue Unterbringungsgesetz kundgemacht. Es wird mit 1. Juli 2023 in Kraft treten.

Die Novelle soll Aufgabenverteilung besser darlegen

In der Novelle soll durch sprachliche Umformulierungen und durch eine bessere Strukturierung klargestellt werden, welche Aufgaben die Polizei, die/der einweisende Ärzt*in und die/der Fachärzt*in einer psychiatrischen Abteilung im Rahmen der Klärung der Voraussetzungen der Unterbringung haben. Zudem sollen sämtliche Befugnisse der Polizei geregelt werden – die (parallelen) Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz entfallen daher.

Im Zuge der Arbeiten an der Reform zeigte sich, dass Missverständnisse unter den Akteur*innen und Informationsverluste (z. B. aufgrund unleserlicher Handschrift) zu falschen, gefährlichen und unbefriedigenden Entscheidungen führen können.

Eines der wesentlichen Ziele der Reform ist, hier mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Vorgeschlagen wird, grundsätzlich für jede Berufsgruppe gesondert und unter Berücksichtigung des Datenschutzes für alle denkbaren Situationen zu regeln, wer wem welche Daten zu welchem Zweck übermitteln darf.

Polizist schaut Amtshandlung zu

Ärzt*in muss sich um Betreuung nach Aufhebung der Unterbringung kümmern

Handschlag

Bisher wurden Patient*innen manchmal aus psychiatrischen Abteilungen entlassen, obwohl sie nicht wussten, wohin sie sich nun wenden sollen. Daher soll sich die/der behandelnde Ärzt*in im Zuge der Aufhebung der Unterbringung um eine angemessene extramurale soziale und psychiatrische Betreuung bemühen. Dies soll zu einem nachhaltigen Behandlungserfolg führen. Auch das eigenmächtige Fernbleiben und die Behandlung außerhalb der psychiatrischen Abteilung wird geregelt. So soll für alle Beteiligten klar gestellt sein, welche Regelungen (UbG oder HeimAufG) auf die/den Patient*in anwendbar sind.

Nach dem Entwurf soll eine Person nur noch auf ihr eigenes Verlangen untergebracht werden können, unabhängig davon, wie alt sie ist. Eine Unterbringung auf Verlangen eines gesetzlichen Vertreters soll auch bei entscheidungsunfähigen Minderjährigen nicht mehr möglich sein.

Persönliche Gespräche mit Patient*innen möglich

Gewährleisten will man zudem, dass die Polizei, die Ärzt*innen und die Ärzt*innen in psychiatrischen Abteilungen selbst mit der/dem Patient*in sprechen. Diese*r soll auch die Möglichkeit haben, eine Vertretung oder eine Vertrauensperson namhaft zu machen und muss auf dieses Recht hingewiesen werden.

Die von der UN-Behindertenrechtskonvention geprägten Regelungen sollen auch für untergebrachte Patient*innen maßgeblich sein. Ein*e entscheidungsfähige*r Patient*in darf daher stets nur mit ihrer/seiner Einwilligung behandelt werden. Fehlt es an der Entscheidungsfähigkeit, so hat die/der behandelnde Ärzt*in die Verpflichtung, Personen beizuziehen, die die/den Patient*in bei der Erlangung der Entscheidungsfähigkeit unterstützen können. Auf Verlangen muss das Gericht immer über die Zulässigkeit einer medizinischen Behandlung entscheiden.

Spezielle Regelungen sind für die Unterbringung Minderjähriger vorgesehen.

Klarstellungen zu den Voraussetzungen der Unterbringung

In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf erfolgen einige Klarstellungen zu den Voraussetzungen der Unterbringung: Es muss eine Gefahrenquelle geben, und zwar ein durch eine psychische Krankheit geprägtes Verhalten, aufgrund dessen muss eine Gefahr (Selbst- und/oder Fremdgefährdung) prognostiziert werden können. Diese muss sowohl ernstlich als auch erheblich sein. Diese Prognose muss auf „objektiven und konkreten Anhaltspunkten“ beruhen. Es ist danach zu fragen, welche Handlung aufgrund welchen Anhaltspunktes zu befürchten und welches Rechtsgut gefährdet ist. Die bloße Möglichkeit einer Selbst- oder Fremdschädigung reicht demnach nicht aus.

Frau beugt sich aus Zugfenster

Ressourcenmangel als Problemverursacher

Mann mit Handschellen

In den abgegebenen Stellungnahmen zur Novelle finden sich, neben dem Hervorheben von vielen positiven Punkten, auch Kritik.

Die Vereinigung der österreichischen Richter*innen Fachgruppe Strafrecht wies etwa darauf hin, dass die oftmalige Erfolglosigkeit des aktuellen Unterbringungsverfahrens – „insbesondere als Resultat der in den vergangenen 20 Jahren eingesparten Ressourcen in der österreichischen Psychiatrie“ – Hand in Hand mit einem massiven Anstieg von Straftaten gegangen ist. Angesichts dieser wiederholten Mahnungen und der Tatsache, „dass viele wegen gravierender Gewalttaten Untergebrachte mehrfache (aber ineffektiv) kurze Unterbringungen nach UbG aufweisen, ist es umso enttäuschender, dass eine effiziente Reform des UbG und die Schaffung der erforderlichen psychiatrischen Betreuungsplätze ebenso unterblieben ist, wie die Umsetzung schon lange vorliegender Gesetzesentwürfe für einen modernen Maßnahmenvollzug“.

Personalmangel

In der Betreuungssituation wirkt sich der Personalmangel besonders nachteilig aus. Vor allem in der Nacht, bei gehäuften Krankenständen und an Wochenenden besteht in vielen Einrichtungen das Problem der Unterbesetzung. Das führt natürlich zu Überlastung des Personals und zu Überforderung in Akutfällen.

Ausreichend Personal ist für ein effektives Deeskalationsmanagement und die Vermeidung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wesentlich und entscheidend.

Wegen der Novelle im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 2016 wurde der Mangel an entsprechend ausgebildeten pflegerischem Personal im Bereich der Psychiatrie bzw. insbesondere der Kinder- und Jugendpsychiatrie zusätzlich verstärkt.

In einigen Einrichtungen musste die Volksanwaltschaft auch einen Fachärzt*innenmangel feststellen, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Frau wirkt müde

Eine Herausforderung

Alles in allem eine Herausforderung für alle Beteiligten, wenn man einerseits bedenkt, dass die Aufgaben im Rahmen der Novelle für die behandelnden Ärzt*innen und in weiterer Folge auch für das Pflegepersonal, wie vorher beschrieben, mehr werden wird und andererseits in vielen Bereichen der Ärzt*innen und Pflegepersonalmangel bereits alarmierende Dimensionen annimmt.

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