Anspannung oder doch Hochspannung?

Wie zeigt sich Anspannung oder Hochspannung bei Kindern und Jugendlichen und wie kann man deeskalieren?

Die Phasen von der Anspannung zur Hochspannung

Je früher man eine Anspannung des Kindes oder Jugendlichen erkennt, desto wirksamer kann deeskaliert werden.

Einmal in der Hochspannung angekommen, benötigt es viel Zeit und Geschick die Situation erfolgreich zu deeskalieren.

Phase 1

In der ersten Phase kann man eine erhöhte Anspannung des Kindes merken, die man durch deeskalierende Gespräche auflösen kann.

Ein gemeinsames Spiel oder Vorlesen kann hier zielführend sein.

Frau liest Kind vor

Phase 2

Frau tröstet Mädchen

Hier sind deutliche Anzeichen für erhöhte Anspannung, meist durch Mimik und Gestik, erkennbar. Kinder- und Jugendliche reagieren oft gereizt.

Spannungsreduktion durch zuvor erlernte Skills sollte erfolgen. Körperliche Eingrenzungen sind nicht zu empfehlen, da dies zur Verstärkung der Anspannung führen kann und ein Ausbruch dabei meist die Antwort ist.

Phase 3

Beleidigungen und Gewaltandrohungen stehen hier ganz oben und es kann schnell eskalieren.

Um dies zu verhindern muss man klar auftreten und respektvoll und freundlich bleiben. Machtkämpfe haben hier nichts verloren.

Angeboten werden soll, was dem Kind oder der/dem Jugendlichen hilft z.B. Time-out, Bewegung oder Verlagerung der Gefühle. Oft reicht es aus in der Nähe zu bleiben um, falls es eskaliert, eingreifen zu können.

Phase 4

Mann spricht mit zornigen Kind

Es werden Grenzen durch Hochanspannung überschritten. Hier werden Gegenstände zerstört und Gewalt angewendet. Es muss eingegriffen werden.

Entweder das Kind kommt in einen Raum wo es sich austoben kann oder es muss gehalten werden. Dadurch kommt es nicht zum Gefühl der Übermacht von Erwachsenen. Dies erleben Kinder weniger als Gewalt und eher als Zuwendung. Dabei besteht die Gefahr, dass Kinder aggressives Verhalten nützen, um körperliche Zuwendung zu erfahren. Dann handelt es sich um einen eskalationsfördernden Faktor.

Präventiv sollen Kinder in alltäglichen Situationen oder bei Erfolgen die nötige emotionale Zuwendung erfahren, die sie benötigen. Das Halten birgt aber auch Risiken, wie die Verletzungsgefahr. Um es so erträglich wie möglich zu gestalten, soll das Kind immer wieder verbal beruhigt werden. Auch durch körperliche Zuwendung kann den Kindern in dieser Situation etwas von der Angst genommen werden.

Es gibt einige Grundsätze zum Umgang mit aggressiv reagierenden Kindern und Jugendlichen

  • Einfühlsames, aber entschlossenes Vorgehen ist empfohlen.
  • Helfende Gespräche oder Streitgespräche sollen nur dann geführt werden, wenn man sich in der Lage dazu fühlt.
  • Ausreichend Zeit und natürliches Verhalten ist dabei wichtig, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
  • Die Kinder und Jugendlichen sollen nicht mit einem wütenden oder verachteten Blick angestarrt werden, da dies schnell als Bedrohung interpretiert wird. Besser ist es, den Blick zu senken und an der Nasenwurzel des Gegenübers inne zu halten, da dadurch eine Dominanz reduziert wird.
  • Wenn Emotionen im Spiel sind, verschnellert sich die Stimme, wird laut und hoch. Diese soll aber ruhig angepasst werden, um zu einer Deeskalation beizutragen.
  • Hände sollen seitlich am Körper belassen werden und nicht zu Fäusten geballt werden.
  • Ein sicherer Stand gibt Halt, falls es zum Angriff kommt. Ebenso sollte man der/dem Angreifer*in auf gleicher Augenhöhe und von vorne begegnen; nie den Rücken zudrehen!
  • Es ist darauf zu achten, dass zwischen den Betroffenen mindestens eine Armlänge Distanz einzuhalten ist. Falls es zu eskalieren droht, sollte man außerhalb einer „Schlagdistanz“ sein.
  • Ebenso wäre es von Vorteil, sich einen Fluchtweg frei zu halten.
  • Weitblick, Kontrolle und Beherrschung sind essentiell.

Präventive Maßnahmen

Durch Förderung der Empathie lernen Kinder und Jugendliche das Gegenüber besser einzuschätzen. Geschehen kann dies durch spielerisches Erlernen der Emotionen und der Impulskontrolle wie z.B. Rollenspiele.

Entspannungstechniken wie z.B. ein Snoezelraum eignet sich durch die multisensorischen Reize für aggressive Kinder mit Impulsdurchbrüchen. Eine Igelballmassage kann ebenso deeskalierend wirken. Diese Massage kann auch durch die Kleidung erfolgen. Massiert wird in kreisförmigen, langsamen Bewegungen am Rücken, an den Armen und Beinen.

Kognitive Techniken

Zunächst müssen diese Kinder lernen, mit Ärger und Wut adäquat umzugehen. Erst danach sind sie im Stande bestimmte Techniken, wie Selbstinstruktionen, anzuwenden.

Symbole zur Kontrolle von Ärger und Wut werden angewendet, wenn andere präventive Maßnahmen nicht greifen und einen Eskalation droht. Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann es hilfreich sein, laut „Stopp“, „Halt“ oder „Aufhören“ zu sagen, um sie in die Realität zurück zu holen.

Bei Kindern kann dies als Zurückweisung missinterpretiert werden und kann dazu die Wut noch steigern.

Daher ist es angebracht, sich mit den Kindern zu überlegen, welches Symbol ihnen gefällt und dies vielleicht zu basteln, wie zum Beispiel ein Stopp Schild, welches der/die Mitarbeiter*in hochhält, wenn die Situation zu eskalieren droht. Somit weiß das Kind, dass es außer Kontrolle gerät und dies stoppen und ändern muss. Bei einem gewissen Maß an Selbstkontrolle können auch kleine Dinge wie Steine oder Figuren in der Tasche helfen, die Kontrolle über die Emotionen zu behalten. Diese sollen in die Hand genommen werden, um sich zu beruhigen. Ebenso haben Geschichten Erfolg, wenn der Gegenstand eine besondere Bedeutung hat. So z.B. wird der Stein zum Zauberstein, der die Wut vertreibt.

Die Nachbesprechung

Die Nachbesprechung gemeinsam mit dem Kind oder der/dem Jugendlichen kann als präventive Maßnahme gedeutet werden, weil hier genau besprochen wird, was notwendig ist um das nächste Mal in einer früheren Phase aussteigen zu können. Zudem ist Versöhnung für die Kinder mit dem Betroffenen wichtig.

Ebenso ist es bedeutend, als Betroffene/r zu sagen, wenn man ärgerlich ist oder eine kurze Auszeit benötigt. Klare Auskünfte können besser angenommen werden als ein Gespür, das nicht richtig einsortiert werden kann.

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