Soziale Isolation in der Langzeitpflege
Bedingt durch die Auswirkungen der Covid 19 Pandemie
Autorin: Maria Arbes
Auswirkungen des Lockdowns auf die Bewohner*innen von Pflegeheimen
Die Pandemie bringt und brachte für alle Menschen enorme Änderungen in unserem selbstbestimmten Leben aufgrund der erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor der Erkrankung mit dem Coronavirus und eines schweren Verlaufes die bis zum Tode führen kann.
Besonders davon betroffen sind hochaltrige Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und mit Pflegebedarf.
Gerade in den Pflegewohnhäusern leben Personen dieser Hochrisikogruppe. Aus diesem Grund wurden restriktive Besuchseinschränkungen durch die COVID 19 Schutzmaßnahmenverordnung vorgegeben.
Verständnislosigkeit der Bewohner*innen
Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen können aufgrund ihrer Erkrankungen sehr häufig nicht verstehen, warum es diese Besuchsbeschränkungen gibt. Aussagen von Bewohner*innen sind: „Ich fühle mich abgeschoben.“ „Es will mich keiner mehr.“ „Ich werde alleingelassen.“ „Ich kann das nicht mehr hören, …“
Menschen mit einer hochgradigen Demenz spüren ebenso, dass ihre Familie nicht zu Besuch kommt, sie zeigen das durch eine Verhaltensveränderung.
Alleingelassen und ausgegrenzt
Diese Gefühle des Alleingelassen Sein, des Ausgegrenzt werden löst depressive Verstimmungen bis zu Depressionen aus. Viele Menschen weinen häufig, sind sehr traurig, haben keine Freude mehr am Leben, zeigen vermehrt Ängste und Verhaltensänderungen.
Änderungen im Verhalten bei Menschen mit einer Demenz sind vermehrtes Schimpfen, sie sind wütender, sie hören auf zu essen, sie lassen Pflegehandlungen nicht mehr zu, sie sind sehr ablehnend und stoßen, zwicken, beißen oder schlagen auf Pflegepersonen. Andere wiederum ziehen sich komplett in sich zurück und wollen keinen Kontakt im Pflegewohnhaus mit anderen Menschen. Bewohner*innen fühlen sich abgeschoben und sozial isoliert.
Der Verlauf ihrer Erkrankungen und ihr Allgemeinzustand verschlimmern sich rascher, insbesondere bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind.
Wieso ist das so! Was passiert da in unserem Körper?
Soziale Kontakte und Beziehungen zu haben ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Wenn wir für längere Zeit isoliert und gezwungen werden gegen unseren Willen allein zu leben verschwindet unser Selbsterhaltungstrieb.
Es reduziert sich das Verlangen nach Nahrungsaufnahme und die spontane Neigung sich zu bewegen, so schreibt Joachim Bauer im Buch „Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt, 2011, Karl Blessing Verlag, München“.
Pflegepersonen sind sehr bestrebt Vertrauen aufzubauen und ein würdebewahrendes Umfeld zu schaffen. Sie sind aber kein Ersatz für Familienangehörige und Freunde der Bewohner*innen.
Und dann ist noch ein Faktor zu beachten, der Auswirkungen hat:
Die soziale Akzeptanz in der Gesellschaft von Menschen mit Pflegebedarf und von hochaltrigen Personen ist wenig ausgeprägt und könnte besser sein. Bewohner*innen empfinden dies auch als unfaire Behandlung.
Aktivierung der Alarmzentren in unserem Gehirn
Ausgrenzung, Demütigung, Unfairness und Schmerzen aktivieren die Alarmzentren in unserem Gehirn und werden als Bedrohung empfunden. Die Verhaltensreaktion zeigt sich durch Misstrauen, Feindseligkeit, Aggression und auch mit Rückzug. Soziale Ausgrenzung bedeutet Schmerz und wird in unserem Gehirn wie körperlicher Schmerz wahrgenommen, beschreibt Joachim Bauer. Weiters erklärt er, dass fehlende Zugehörigkeit und Zurückweisung durch andere Menschen wichtige und starke Aggressionsauslöser sind. Bindung, Akzeptanz und Zugehörigkeit sind überlebenswichtig. Personen, die ihre Aggression nicht kommunizieren können oder sich nicht trauen, entwickeln Angststörungen, depressive Erkrankungen und haben ein erhöhtes Krankheitsrisiko und eine verkürzte Lebenserwartung.
Um dem entgegenwirken zu können würde es viel mehr Zeit für Zuwendung und unterschiedliche Aktivierungsangebote mit den Bewohner*innen brauchen sowie mehr direkte Gesprächszeiten für jeden einzelnen.
Diese Zeitressourcen fehlen.
Überlastung und Überforderung der Pflegepersonen
Die Umsetzung der COVID 19 Schutzmaßnahmenverordnung ist eine riesengroße Herausforderung und mit vermehrtem Zeitaufwand für alle Pflegepersonen in den Pflegeeinrichtungen verbunden. Es bedeutet auch fallweise Zwang anzuwenden, damit die Schutzmaßnahmen umgesetzt werden können. Die normalen Alltagsanforderungen werden unter erschwerten Bedingungen durchgeführt.
Insbesondere die Personalengpässe aufgrund von Quarantäne und Erkrankungen der Pflegepersonen reduzieren die Ressourcen enorm. Die Anzahl der Bewohner*innen bleibt gleich und durch die hohe Sterblichkeit ziehen auch wesentlich mehr Menschen neu in ein Pflegewohnhaus ein, die wiederum mehr Zuwendung brauchen.
All diesen Anforderungen gerecht zu werden, löst bei vielen Pflegepersonen Überlastung und Überforderung aus. Sie sind einfach am Limit mit ihrer Energie, mehr geht kaum noch.
Angebot an Unterstützung und Beratung
Pflegende benötigen gerade jetzt noch mehr Unterstützung, Beratung und Entlastungsmöglichkeiten, damit sie professionell mit Aggressionen und den Verhaltensänderungen der Bewohner*innen durch die COVID 19 Schutzmaßnahmenverordnung umgehen können.
Alles hat immer zwei Seiten. Die Umsetzung dieser Verordnung hat beachtenswerte negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Bewohner*innen und die Ressourcen bei den Pflegepersonen sind aufgebraucht.
Hohe Einsatzbereitschaft
Trotzdem möchte man eine qualitätsorientierte Pflege durchführen können.
Menschen zu pflegen ist in dieser Pandemie-Zeit geprägt von hoher Einsatzbereitschaft, den Willen da zu sein für die Menschen die Pflege brauchen und flexibler Gestaltung eines jeden Tages.
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