Das postoperative Delirium

Was es ist und wie es verhindert werden kann

Autorin: Stefanie Gaul

Was ist ein POD?

POD (Postoperative Delirien) sind die am häufigsten vorkommenden Komplikationen eines chirurgischen Eingriffs. Die zeitliche Komponente des Pflegepersonals mit der Behandlung von deliranten Patient*innen ist erfahrungsgemäß zur Gänze ausgeschöpft und wird als sehr belastend erlebt.

Studien belegen, dass in der Praxis Delirien oft übersehen oder unterschätzt werden. Laut ICD-10 ist ein Delirium eine akute, vorübergehende Verschlechterung des mentalen Status. Durch Stoffwechselstörungen wird der Gehirnstoffwechsel beeinträchtigt. Studien zeigen auf, dass 10-15% der älteren Patient*innen, die in eine Notaufnahme eingewiesen werden, an einem Delirium leiden. Die Ursache ist vor allem in höherem Alter multifaktoriell bedingt (z.B.: Infektionen, Ortswechsel, Operationen, Polypharmazie). Speziell operierte Patient*innen, in Verbindung mit den bereits genannten Risikofaktoren, weisen eine hohe Delirrate auf (10-65%).

Die Auswirkungen sind nach Roiter (2021), dass Betroffene auf Umweltreize unangemessen reagieren, verwirrt wirken und unfähig sind, sich räumlich zu orientieren. Aufgrund dieser Begleiterscheinungen geht hervor, dass die Folgen vielseitig sind und dadurch sämtliche Verhaltensstörungen produziert werden können. Die Dauer des Delirs ist entscheidend für die Folgeschäden und kann durch eine frühzeitige Behandlung erkannt, möglichst kurz oder durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden.

Der Umgang mit POD im stationären Alltag

Die Implementierung eines multiprofessionellen Konzepts im stationären Alltag mit vereinheitlichter Vorgehensweisen (Standards, interdisziplinäre Abläufe), sowie einer Nachsorge und Reflexionsprozessen, ermöglichen eine Minimierung der Komplikation „Delir“. Eine einfache, gut verständliche Information, die sich bereits im stationären Aufnahmeprozess findet, bietet die Grundlage, um über die aktuelle Situation und die organisatorische Abfolge (Zimmerbelegung, Pflegeprozess, Stationsalltag) aufzuklären. Ebenso sollen Angehörige miteinbezogen werden. Sie können einerseits den Pflegepersonen notwendige Informationen geben, andererseits können die Informationen an die jeweiligen Kompetenzen angepasst werden.

Zwei Männer reden

Praktische Umsetzung

Konzept

  • Delirmonitoring inklusive Informationsbroschüre
  • Pflegeplanung mit Präventionsmaßnahmen

→ frühzeitige Erkennung der Desorientiertheit und der Risikofaktoren

Prädisponierende Faktoren können eliminiert werden. Mithilfe eines vereinheitlichten Anamnesegesprächs können Pflegepersonen diese eruieren und Maßnahmen daraus ableiten.

Beispielhafte Fragen in einem Anamnesegespräch nach Maschke, et al. (2020):

  • Demenz oder neuropsychiatrische Erkrankungen?
  • Häusliche Situation, vorbestehende Pflegegrade?
  • Vorausgegangene Erkrankungen?
  • Exakte Medikamenteneinnahme?
  • Drogen- und Alkoholanamnese (Alkoholentzugsdelir: vorbestehende Entzüge?)
  • Schmerzen?
  • Ernährungsstatus?

Hilfreiche Interventionen

Frau im Bett

Das oberste Ziel der nichtmedikamentösen Interventionen ist die Wiederherstellung der physiologischen und psychischen Ausgeglichenheit der Patient*innen. Folgende zwei Punkte bieten eine Orientierung.

Erstens gilt es die Auslösefaktoren zu eliminieren. Liegt beispielsweise ein Infekt vor, gilt es diesen mittles einer niedrigschwelligen anitiinfektiösen Therapie zu behandeln. Zweitens sollen die Umgebungsverhältnisse optimiert werden.

Weitere somatische und reorientierende Maßnahmen

Grundsätzlich gilt es lt. Maschke et al. (2020) aus somatischer Sicht, einer Verschlimmerung der geriatrischen Symptome (Inkontinenz, Immobilität, Sturzneigung, Malnutrition, Dehydratation, u.v.m.) entgegenzuwirken. Des Weiteren ist die Überwachung der Vitalparameter notwendig, um pathologische Abweichungen frühzeitig zu erkennen. Zuzüglich der physiologischen Kontrolle gilt es, die Risiken, durch die eine beeinträchtigte Kognition entsteht (psychologische Komponente), zu überwachen.

Ebenso ist ein Umfeld mit reorientierenden Maßnahmen, die gleichfalls den zirkadianen Rhythmus begünstigen, empfehlenswert. Gute Aussichten bei der deeskalierenden Behandlung hat ein entsprechend gestaltetes therapeutisches Milieu. Wichtig ist eine hohe Konstanz in der personellen Betreuung. Hier bietet sich die enge Einbindung der Angehörigen an. Diese sollten alsbald und in angemessenem Umfang über die Situation informiert werden, um Missverständnissen vorzubeugen, die durch den schwierigen und fluktuierenden Verlauf erfahrungsgemäß häufig entstehen können.

Maßnahmenkatalog

Für Sicherheit sorgen

durch Beobachtung, Überwachung, Vorbeugung von Gefahren

→ Zimmer in Stützpunktnähe geeignet

Persönlichkeit wahren

durch einen respekt- und würdevollen Patientenumgang, allgemeine und verständliche Ausdrucksweise (Vermeidung Fachjargon), Geduld bewahren bei Missverständnissen und ggf. Information wiederholen, Zeit geben und Patient*innen die Chance lassen, Gesagtes aufzunehmen, Wünsche nach Möglichkeit erfüllen, Hilfe beim Anziehen persönlicher Kleidung

Orientierung verbessern

durch Zuwendung mit reorientierenden Gesprächen, ruhige und gut beleuchtete/überschaubare Umgebung, Tag-Nacht-Rhythmus schaffen (Uhr, Kalender), Aktivierung und Tagesstrukturierung, Ausgleich sensorischer Defizite (Brille, Hörgeräte), Zeitungen und dosiertem Fernsehen (Nachrichten)

→ Oberstes Ziel ist es, dass Patient*innen den Bezug zur Realität behalten und alles unterlassen wird, was verwirren könnte!

Allgemeinmedizinisch

adäquate Analgesie, Absetzen von delirogenen bzw. nicht akut benötigten Arzneimitteln, gute Oxygenierung, ausgewogene Ernährung und Flüssigkeitszufuhr (bei Exikose → Flüssigkeitszufuhr anpassen/ggf. Bilanzierung) Regulation von Miktion und Stuhlgang

Angst mildern

durch adäquate Informationsgabe über anstehende Maßnahmen, Einbezug der Angehörigen (zeitlich unbegrenzt), konstante Bezugspersonen, Vermeidung von Reizüberflutung/-deprivation, Vorstellung des Behandlungsteams (Ärzte, Pflege)

Vermeidung iatrogener Ursachen

durch möglichst keine Verlegungen, beschränkten Umgang mit Fixierungen, Kathetern und Polypharmazie, Kontrolle der Vitalparameter

 

Evaluierung

in regelmäßigen Abständen

Wissensmanagement als Schlüssel

Um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern und die Betreuungsqualität zu steigern, sollen Schulungen für Pflegekräfte und Ärzt*innen dazu beitragen, ein einheitliches Wissensniveau zu gewährleisten.

In interdisziplinären Besprechungen kann auf individuelle Situationen von (drohenden) deliranten Patient*innen eingegangen und gemeinsam das weitere Vorgehen geplant werden.

Bei dem Verdacht eines Delirs sollte der Zustand des Patienten mithilfe geeigneter Screening-Tools (DRS, CAM) weiter abgeklärt werden. Um den Erfolg der Maßnahmen dauerhaft zu sichern, ist es notwendig, dass sowohl pflegerische als auch ärztliche Führungskräfte dem Thema Delirium inklusive Management ausreichend Gewichtung geben, um zukünftig dieser Erkrankung aktiv entgegenwirken zu können und somit die Betreuungsqualität zu verbessern.

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